ingeborg von hantelmann


... aus dem Leben von Ingeborg von Hantelmann

Wir beginnen mit dem was ihr Leben die letzten Jahre geprägt hat. Ihrer Arbeit bei Quartier. Andrea Siamis wird uns gleich davon berichten.
 

Liebe Familie, liebe Therese, Friederike, Ellen,
Liebe Freunde und Freundinnen, Künstler und Künstlerinnen, und alle, die Ingeborg kannten und die ihr wichtig waren, Es ist ein trauriger Anlass und auch freudig, dass wir heute hier für Ingeborgs Abschiedsfeier zusammen kommen. Ich möchte nicht weinen heute. Und weiss auch noch nicht genau, wo meine Ansprache sich hin bewegt. Organisiert und strukturiert wie Ingeborg war, hatte sie eingeteilt, wer was zu welchem Thema auf ihrer Trauerfeier sagen soll. Das war gleich am Anfang, als sie von ihrer Diagnose erfuhr und bereits alles geplant hatte. So sollte ich etwas zu unserer gemeinsamen Arbeit sagen. Das werde ich gerne tun, liebe Ingeborg. Viele heute hier Künstlerinnen, ehemalige Kolleginnen, kennen Ingeborg aus den vielen kulturpädagogischen Projekten von Quartier. 12 Jahre hat Ingeborg bei Quartier mit mir zusammen gearbeitet.
Und eigentlich schon davor, als Teilnehmerin in der Quartier Fortbildung kik- Künstler in der Kulturarbeit. Ja, hier ist sie zu Quartier gekommen.
Gerne möchte ich einige Kolleginnen vorstellen: Holger und Claus in Brasilien, Elke, die in dieser Massnahme Teamer waren. Es wurden Projekte durchgeführt, gemeinsam mit Haleh, Anke, Christina und anderen.

Ingeborg kam 2011 zu mir in das Tenever-Büro.
Hier waren wir ein starkes Team über viele Jahre, mit Eggi, Nadine, Reiner, Pia, Andreas...und einigen anderen bis 2019, als Ingeborg in Rente ging. Viele Projekte wurden ins Leben gerufen, stadtweite Kinderkulturprojekte, mit großen Ausstellungen im Rathaus und der Weserburg, Sommerfeste in Tenever, und die Mode-Kunst-Projekte, für die Ingeborg wesentlich zuständig war und die sie gemeinsam mit Elke und Ilka weiter entwickelte. Und auch nach ihrer Rente war sie noch bei Projekten und Ausstellungen dabei.
Ich möchte nicht all die Projekte aufzählen, sie sind bekannt und im Internet anzusehen, mit vielen Filmen, Interviews, Presseartikeln. Ingeborg war meine Assistentin; so ist sie in allen Veröffentlichungen der genannt.

Sie sagte in den letzten Tagen zu mir:
und ich bin stolz darauf, bei Quartier gearbeitet zu haben!
Und sie meinte, nein, Andrea, ich will auch sagen, dass du meine Chefin warst, wenn ich sie anderen als frühere Kollegin vorstellte. Das hat mich sehr berührt und geehrt.

Besonders war auch unsere gemeinsame Reise nach Riga.
Eingeladen wurde ich als Kulturreferentin zu einer Veranstaltung in die damalige Kulturhauptstadt. Ingeborg, du musst mitkommen!
Ihre sozusagen Heimat, über die wir gleich noch einiges hören werden und Ahnenforschung. Denn etliche UrUrUrGroßonkel, Väter und sonstige Ahnen ihrer weitläufigen Familie hatten wichtige Positionen in Riga, als Architekt oder Rektor, die ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen haben.
Die Hochschule für Bildende Kunst haben wir aufgesucht, Ingeborg und die Türklinke: die hat schon mein UrUrUr... angefasst!! Sie wusste sehr viel und konnte viel erklären und zeigen.
Das war eine wunderschöne spannende Reise.
Leider waren keine Einzelzimmer mehr frei. Und wie ich schon erfahren habe, ist es bei den von Hantelmanns sehr ausgeprägt mit dem eigenen Freiraum. Also waren wir in einem Doppelzimmer. Und mitten in der Nacht kam eine empörte Stimme: Andrea, du schnarchst! Wir sind immer sehr direkt miteinander umgegangen.

Im letzten Jahr hatte Ingeborg ihre Kunst hier im Biobiss ausgestellt.
Wir haben sie gemeinsam mit Freunden und ehemaligen Kollegen geplant und aufgebaut, mit Reiner, Eggi, Hedda, Uli...und Unterstützung hier vom Biobiss. Ich sagte: nun bin ich deine Assistentin. Denn das, was uns verbunden hatte, hatte eine andere Qualität bekommen, seit ihrer Krankheit.

In dieser Zeit, eigentlich seit Sommer 2021, als ihre Krankheit begann, haben wir uns viele emails geschrieben, und uns oft getroffen, besucht. Es war, nachdem sie ihre Chemo nicht weiter gemacht hatte, eine sehr schöne Zeit, eine wertvolle Zeit, in der sie eine unglaubliche Stärke zeigte, eine Klarheit und Realitätssinn über ihre Krankheit, was einfach nur beeindruckend war.
Sie hatte sich ein Netz mit all ihren lieben Freundinnen Hedda, Ulla, Haleh, Helga, Andrea aus Hamburg, Uli..... gestrickt, die alle für sie da waren, auch die Nachbarn Henning und Jessica.
Abwechselnd haben wir sie bekocht, Ausflüge gemacht, Ausstellungen besucht, Shopping gegangen, und ja, auch für sie gestrickt. Unsere tour in den Wolle-Laden war fast schon wöchentlich ...
Und danach unser Ritual: Kakao und Amaretto im Schauburg-Cafe oder im Sommer bei Ferrari.

Ich habe gesagt:
Ingeborg, ich betreue dich nicht - wir unternehmen was zusammen. Ingeborg tat mir gut! Jedes Mit-ihr-sein war sehr wertvoll geworden. Und sie tat sich selbst viel Gutes in diesen letzten Monaten, kaufte sich glücklich, kaufte sich schöne wertvolle Dinge. Es war eine Freude zu erleben, wie sie sich über ihre neuen Sachen freute. Es gibt so viele schöne Momente, Situationen, an die ich gerne denke, wie ihr 69ter Geburtstag mit vielen Freunden.
Unser 6stündiger Ausflug nach Worpswede. Die Ausstellungsbesuche. All unsere flotten Fahrten mit dem Rollstuhl, für den ich ihr zu Weihnachten noch eine Klingel geschenkt habe, damit wir alle aus dem Weg klingeln konnten. Wären wir uns so viel näher gekommen, wenn es ihre Krankheit nicht gegeben hätte? Wahrscheinlich nicht. Nicht so nahe, vertraut, vertrauensvoll.
Sagte sie.
Und wir sind auf die Frage gekommen:
Ab wann ist man eigentlich Freundin? Wie definiert sich Freundin?
Ingeborg sagte:
eine Freundin sucht man sich aus; eine Kollegin bekommt man durch die Arbeit.

Das wunderbare unserer Beziehung war:
das eine schließt das andere nicht aus und entwickelte sich zu etwas anderem.
Am 31. Dezember letzten Jahres schrieb mir Ingeborg:
„Andrea, Du bist für mich eine wichtige Freundin geworden.
Und ich sage Du bist eine Freundin für mich, weil es so ist.
Ich freue mich immer, wenn Du kommst, wir miteinander plaudern oder Dinge zusammen unternehmen.“
Freundinnen - bis zu ihrem letzten Atemzug, den ich erleben durfte.
 
Andrea Siamis