ingeborg von hantelmann


... aus dem Leben von Ingeborg von Hantelmann

Ingeborgs Kunst und auch ihr Interesse für die Vergangenheit ist ihr nicht in den Schoß gefallen. Sie studierte Malerei und Kunst und Geschichte im Lehramt. Ihre alte Studienfreundin Andrea Barkmeyer nimmt uns mit in diese Zeit.

Ich bin Andrea und kenne Ingeborg seit mehr als 45 Jahren. Bis heute sind wir immer in Kontakt geblieben und haben uns über vieles, was uns in unseren unterschiedlichen Lebensphasen beschäftigt hat, ausgetauscht. Hier teile ich mit euch einige meiner Erinnerungen aus den ersten Jahren unserer Freundschaft.
Kennengelernt haben wir uns 1975 oder 1976 als Lehramtsstudentinnen an der Pädagogischen Hochschule in Göttingen. Ingeborgs Studienfächer waren Kunst und Geschichte. Davor hatte sie ein Studium der Malerei an der Hochschule für bildende Künste in Bremen abgeschlossen. Jetzt war der Plan, Lehrerin zu werden.
Unsere Studienzeit war geprägt von vielen Diskussionen und Fragen: Wir waren auf der Suche nach unsrem Platz in der Welt und wollten die Welt verändern.
In meinen ersten Erinnerungsbildern sehe ich Ingeborg in der Cafeteria oder im Seminar sitzen, meist mit einer selbstgedrehten Zigarette in der Hand und redend und diskutierend.
1 Jahr später: Ingeborg sitzt an unserem WG-Küchentisch, wieder diskutierend, rauchend, Fragen stellend – bis tief in die Nacht. Gesprächsthemen waren: die Studieninhalte, Revolutionen, die Rolle von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft, Malerei, Kinofilme, bald auch Theater und, nicht zu vergessen, unser gemeinsames Zusammenleben und unsere Beziehungen zu LiebespartnerInnen.
Zu fünft waren wir in ein altes Haus außerhalb Göttingens gezogen. Die Idee der Landkommunen bestimmte unseren Alltag. Es wurde möglichst viel von uns selbst gemacht und stundenlang am Küchentisch diskutiert. Das, was wir theoretisch im Kopf hatten, wollten wir auch im Alltag leben.
Im täglichen Zusammenleben zeigte sich Ingeborg sehr praktisch, kreativ und tatkräftig. Es war klar, dass alle Aufgaben, wie renovieren, reparieren, Holz hacken oder kochen von Männern und Frauen gleichermaßen getan werden sollten.
Als nach einem Unfall das gemeinsame WG-Auto Schrott war, aber noch einen brauchbaren Motor hatte, musste dieser ausgebaut und in ein anderes Auto eingebaut werden. Mit einem detaillierten Anleitungsbuch versehen, krabbelten wir beiden Frauen unter die Autos und wechselten den Motor. Dank „Caramba“ für die angerosteten Schrauben und der Muskelkraft unserer Mitbewohner war diese Aktion erfolgreich. „Wenn ich etwas will, schaffe ich das.“ war Ingeborgs Leitsatz bis in ihre letzten Stunden hinein.
Nie vergessen werde ich Ingeborgs Begeisterung für gute Kinofilme und schöne sowie gute Schauspieler. Ein Bildband von dem Film „Im Lauf der Zeit“ wurde immer wieder hervorgeholt, betrachtet und im Zusammenhang mit anderen Filmen diskutiert.
Ingeborg teilte ihre Theaterbegeisterung mit unserem Mitbewohner Carl, der später Bühnenbildner wurde, und mit vielen Bekannten, die im Jungen Theater Göttingens und der dazugehörigen Kneipe zu treffen waren.
Zum Ende des Studiums haben wir uns innerhalb der WG gemeinsam auf die Prüfungen vorbereitet. Arbeitsteilig wurden einzelne Prüfungsthemen erarbeitet, um sie dann gemeinsam zu diskutieren. Zur Ablenkung wurden auch schon Mal im Garten aus Holzscheiten Barrikaden gebaut, passend zu den Themen der Geschichtsprüfung: Pariser Kommune und Französische Revolution.
Es war eine gute, gemeinsame Zeit!
Nach dem 1. Staatsexamen wusste Ingeborg, was sie nicht wollte. Lehrerin werden!
So zog sie 1980 wieder nach Bremen, mit dem Wunsch, selbst bestimmt zu leben und zu arbeiten.
Mit Organisationstalent, Eigeninitiative und unterschiedlichen Tätigkeiten schaffte sie es, sich finanziell eine ausreichende Basis zu schaffen. Wichtig war Ingeborg ein Engagement am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben.
Zum Beispiel engagierte sie sich bei dem freien Radiosender „Radio Zebra“ und arbeitete in der Cinema Filminitiative mit.
Die Liebe zur Kunst und zum Theater führten Ingeborg bald ans Theater. Als Bühnenbildnerin assistierte sie bei einigen Stücken und verließ für einige Zeit Bremen, um am Theater in Mannheim zu arbeiten.
Mit diesen Erinnerungen möchte ich schließen und zum Schluss noch einige Worte an Ingeborg richten, (die vielleicht gerade malend im Regenbogen sitzt):
Ingeborg, wenn ich so betrachte, was du wolltest und was du wurdest, sehe ich deine starke Persönlichkeit.
Du wolltest dich nicht verbiegen und hast es geschafft, deine Interessen und Fähigkeiten zur Grundlage und zum Inhalt deines Lebens zu machen.
Ich werde dich vermissen. Ich vermisse die langen Gespräche, auch die mit unbequemen Fragen und kritischen Bemerkungen. Bei allem Ernst der Gespräche gab es zwischendurch immer auch etwas zu lachen. Doch ich weiß, du lebst in unseren Gedanken und in unserem Herzen weiter und malst im Regenbogen.
Andrea Barkmeyer